Wo klemmt es in der Versorgung? Es war ein spannendes Thema, zu dem der Bernburger Ortsvorstand der SPD eingeladen hatte. Es ging um Gesundheitspolitik und Moderator Friedel Meinecke hatte dazu Mathias Tronnier, Geschäftsführender Vorstand der Kassenärtzlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, Steffen-Claudio Lemme, Edgar Franke, bei SPD und im Ausschuss für Gesundheit des Bundestages als Experten gewonnen. Ebenfalls dabei war Norbert Bischoff, Minister für Arbeit und Soziales, dessen Ressort auch den Bereich Gesundheit umfasst. Doch in letzterem, machte Bischoff klar, habe er eigentlich nicht viel zu sagen, denn das regeln die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen untereinander in Selbstverwaltung. Er sei zuständig für die Krankenhausplanung, das war’s.
Doch dennoch hat Bischoff eine Meinung und er kennt die Herausforderung, die vor den nächsten Generationen steht. Das Alter. Doch wehrt sich der Minister dagegen zu sagen, dass das Alter schuld sei. “Es ist schön, wenn wir länger leben. Es ist eine Errungenschaft. Doch wir müssen uns darauf einstellen, wie wir das bewältigen.”
Tronnier sieht hier auch den Punkt, bei dem künftig angesetzt werden muss. Die Anforderungen an die Ärzte steigen. Es gibt immer mehr alte Menschen mit mehreren Krankheiten, bei allerdings abnehmender Bevölkerungszahl. Das heißt, weniger, aber dafür kränkere Patienten für den Arzt. Junge Ärzte scheuen sich auch oft, die Bürden auf sich zu nehmen, die ein Landarzt nun mal hat. Da sei es leichter, in Ballungsräume zu wandern, wo man mit weniger Aufwand mehr Geld verdient. “Es muss mehr kommen, aber das von der Politik. Beispielsweise mit dem Wegfall der Budgets auf dem Land.” Was Tronnier perspektivisch fehlt in der Politik ist ein geriatrisches Konzept (Geriatrie = Altersheilkunde, d. Red.). Wie kann man Menschen lange im heimischen Umfeld mit welchem Aufwand betreuen? “Wir können die Menschen nicht kasernieren”, sagte er. Ulrich Menkhaus, einstiger DRK-Chef in Bernburg und heute Seniorenvertreter, sieht hier die Herausforderung der Zeit. Demenz (Altersverwirrung) wird eines der tragenden Themen der Zeit werden. Wie kann ich Menschen, die keine Aufsicht der Familie haben, dennoch betreuen im heimischem Umfeld. Das bedürfe eines Umdenkens, denn es sei nicht nur mit der Pflege getan, bei der man einmal oder zweimal am Tag vorbeischaut. Betreuung sei intensiver. “Wir finden aber keinen Weg, wenn immer mit den Kosten angefangen wird zu diskutieren. Dann ist gleich Schluss mit dem Thema”, so Menkhaus. Franke und Lemme sprechen sich darum für eine Bürgerversicherung aus, in die jeder nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einzahlt. Jede bekomme dann gleiche Leistungen gleicher Qualität. “Das ist solidarisch und solide”, so der Hesse Franke. Für ihn ist die Umverteilung von Mitteln und die Steuerung von Ärzteansiedlungen ein wichtiges Thema. Es gebe genug Ärzte, die seien meist in Ballungszentren und Städten. Man könne das auch steuern, sagte er, indem man für bestimmt Gebiete eben keine Niederlassungen mehr zulasse
Doch weiß er wie auch Tronnier, dass zwei Drittel der Mediziner, die den Abschluss machen, Frauen sind. Die, so zeigen Umfragen, wollen oft nur halbtags arbeiten, um ein Familienleben zu haben. “Frauen schaffen den Numerus clausus von 1,1 eben eher, weil sie zielstrebiger sind. Vielleicht sollten wir den NC abschaffen oder andere Zulassungsmerkmale – wie soziales Engagement – mit einfließen zu lassen. Ich glaube nicht, dass ein Notendurchschnitt von 0,3 schlechter gleich einen schlechteren Arzt macht”, so Franke. Lemme setzt ebenfalls auf eine Bürgerversicherung zur langfristigen Finanzierung eines guten Gesundheitssystems. Der Mann, der 20 Jahre dem DGB in Thüringen vorstand, sieht das als fair an. Dabei gelte es, die privaten Versicherer nicht rauszudrängen, sondern Angebote zu machen, dass ein Jahr Zeit bleibt zum Wechsel. Es könne ein Angebot für eine gute Absicherung der Versorgung gemacht werden, wer mehr wolle, müsse das extra versichern, so Lemme.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung